Pictures by: Neven Petrović


 

 

5 Performer, 1 Techniker

Bühne: 6 x 6 m

Aufführungsdauer: ca. 0:50 h

 

Premiere: 20.11.2020, Zagreb Dance Center (ZPC). 

Die ursprünglich für Ende März in Zagreb geplante Premiere, musste wegen des ersten Corona-Lockdowns verschoben werden.

 

Eine Kooperation mit dem Zagreb Dance Center (ZPC) und dem Staatstheater Darmstadt.

 

Gefördert im Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Bundesstadt Bonn, RheinEnergieStiftung Kultur. 

 

Von und mit: Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Álvaro Esteban, Marin Lemić, Eleonora Vrdoljak, sowie Recherche: Werner Nigg • Choreografie: Rafaële Giovanola • Komposition: Jörg Ritzenhoff • Lichtgestaltung: Jasper Diekamp  • Raum, Lichtkonzept: Marino Frankola • Kostüme: Petra Dančević • Kostümassistenz: Božica Tunjić • Video, Fotos: Neven Petrović

• Dramaturgie: Rainald Endrass

• Produktionsleitung Daniela Ebert, Lena Peters • Management, Touring: Mechtild Tellmann

 

über BODY SHOTS 

 

Sie ziehen uns den Boden unter den Füßen weg, verursachen Unbehagen und Befremdung. Anthropomorphe Wesen, Artefakte, Zwitterwesen aus Beseelten und Unbeseelten, aus menschlichem Organismus und Maschine. Ihnen gegenüber erscheint uns plötzlich der eigene Körper ebenso fremd und konstruiert. In Zeiten postmoderner Körperdiskurse um Medien- und Biotechnologie, Digitalisierung und Videokörper, Computerfleisch und Prothesen kommt der ‚Puppe’, in all ihren modernen Erscheinungsformen wie Humanoiden, Androiden, Cyborgs und Avataren neue Bedeutung zu. Sie inszeniert sich selbst als Zwischenwesen: menschlich vertraut und als lebloses Objekt zugleich radikal fremd. Die Animation des Figurenkörpers durch menschliche Körper spiegelt uns die Brüchigkeit unserer Fantasien um natürliche und einheitliche Körperlichkeit.

Mit BODY SHOTS setzt CocoonDance seine dekonstruierenden Körperinszenierungen und die Suche nach dem noch ‚ungedachten' Körper fort und entwirft eine quasimenschliche Form, indem sie die Akteure zu Doubles ihrer selbst nachbildet: Ersatzkörper, anonym, frei von geschlechtlichen, ethnischen und gesellschaftlichen Einschreibungen, die Identität allein durch Assoziationen von Gesten und Bewegungen erhalten, und im besten Fall zum ‚Einfühlungskörper‘ für den Betrachter werden, ihn zu Projektionen von Ängsten, Wünschen und Gefühlen einladen.

 

PRESSESTIMMEN IN AUSZÜGEN

 

Beeindruckende Tanzperformance: Mensch oder Maschine? [Titel]

In 45 Minuten erleben die ZuschauerInnen … eine ungewöhnliche Performance mit einem bemerkenswerten Bewegungskanon. Extrem langsame Zeitlupe-Bewegungen und eckig-kantige Androiden-Bewegungen wechseln sich ab mit eigenwilligen, kriechenden, wiegenden, tier- und insektenhaften Bewegungen. … Exzellente Körperbeherrschung von Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Álvaro Esteban López, Marin Lemic und Eleonora Vrdoljak, die die originelle wie faszinierende Choreografie von Rafaële Giovanola hervorragend umsetzen. … CocoonDance  gelingt es immer wieder das eben gesehene in Frage zu stellen. Sieht und erlebt man einen lebendigen, beseelten Menschen, eine Maschine oder die Verschmelzung von Mensch und Maschine? Die dargestellte Körperlichkeit wirft Fragen auf nach dem Vertrauten, Fremden, Lebendigen, Objekt/Kunstkörper, nach Selbstwahrnehmung, Selbstbestimmtheit, Bewusstsein, Willen und programmiertem Funktionieren. Und nach der Entwicklung des Menschwerdens und Menschseins. Spannend und nachwirkend. (Christian Seibt, Neue Presse Hannover, Abruf: 15.09.2021) 

 

Die Choreografin Rafaële Giovanola und der Dramaturg Rainald Endraß haben eine ästhetische und zuweilen verstörende Perfomance geschaffen. Fünf Tänzer*innen (Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Álvaro Esteban López, Eleonora Vrdoljak, Marin Lemic), in weiße, an Schutzanzüge erinnernde Kleidung gehüllt (Petra Dancevic), wandeln auf weißem Grund, über den in derselben Größe ein weißer Baldachin gespannt ist (Marino Frankola), und verändern unter dramatisch wirkender Beleuchtung (Marino Frankola) in langsamen, abgemessenen Bewegungen die Haltung ihrer Körper.

Abgesehen davon, dass es sich um eine außerordentlich interessante Aufführung handelt (tänzerisch, musikalisch und lichttechnisch), hat „Body Shots“ (Körpertreffer) eine meditative Wirkung und evoziert Fragen (nahezu philosophische) zu Form und Wesen des Menschseins sowie grundsätzliche Fragen zur Menschlichkeit und technischen Austauschbarkeit (Maschinenwesen).

Mit seiner Wirkung auf das Publikum hat „Body Shots“ im Zagreb Dance Center noch einmal die These untermauert, dass eine Online-Vorstellung nicht das Vergnügen ersetzen kann, das sich beim Publikum und den Ausführenden einstellt, wenn sie sich in derselben Umgebung befinden (geschlossener oder offener Raum).

(Olga Vujovic, Olga's Rezensionen, https://www.wish.hr/ljepota-neljudskog/ Abruf: 14.12.2020)

 

Body Shots ist eine sehr beeindruckende Inszenierung, und obwohl es bereits eine Zeitlang her ist, dass ich sie gesehen habe, ist ein irgendwie berührender, ruhiger - im Sinne von friedlicher und trauriger - Eindruck geblieben. Die Inszenierung wird dominiert von einer Art Zeitlupe, die zudem durch ein versetztes Bewegungs-schema den Tänzer*Innen einen puppenhaften Charakter verleiht. Sie bilden eine homogene Gruppe, eine einmalige Spezies – ob sie noch Menschen sind (?) oder humanoide Roboter - verwirrt, verwundbar und verloren in sterilem Weiß, einem kleinen leeren Universum (begrenzt durch weißen Untergrund und ein weißes Gewölbe), dem langsamen, aber auch unaufhaltsamen, Aussterben ausgeliefert. (…)  Es scheint so, als seien sie verlassen und vollkommen vergessen worden in diesem Raum. Ein Zonenwechsel, der angedeutete Versuch einer Bewegung, eine Beschleunigung durch pendelartige Bewegungen und die Versuche, einander zu berühren, einander zu fassen zu bekommen und sich aneinander anzulehnen, fallen schwach und ungeschickt aus. Und genau daher rührt auch dieser sich stetig intensivierende Eindruck von Traurigkeit.“ Maja Durinovic, Plesnascena.hr Abruf: 14.12.2021: http://www.plesnascena.hr/index.php?p=article&id=2511

 

Selbst die düstersten Utopien, die wir aus der Literatur kennen, werden gerade von der Wirklichkeit überholt. In diesem grotesken Kontext präsentiert Choreografin Rafaële Giovanola die neueste Arbeit von CocoonDance company Dance. In Body Shots soll es eigentlich darum gehen, Körper zu dekonstruieren, sie zu entseelen und den Menschen zum Zwischending zwischen Zombie und Roboter zu entwickeln, um dessen Bewegungsmuster zu erforschen. Im Theater im Ballsaal in Bonn ist die Bühne angerichtet, um die Online-Uraufführung zu zeigen. … Als das Licht nach rund einer Dreiviertelstunde erlischt, bleibt man erst mal einen Moment gebannt vor dem schwarzen Bildschirm sitzen, ehe so etwas wie Ermattung eintritt. (Michael S. Zerban, O-Ton Magazin,  Besprechung des Livestreams vom 12.03.2021. Abruf 13.03.2021: https://o-ton.online/aktuelle_auffuehrung/o-ton-bonn-body-shots-zerban-210312/) 

 

Mit "Body Shots" präsentiert das Bonner Ensemble Cocoondance im Theater im Ballsaal eine visionäre Arbeit, … die Variation eines Motivs, das mit der Wahrnehmung des menschlichen Körpers zu tun hat und die Stücke "Momentum", "Ghost Trio A und B", "Vis Motrix" und "Hybridity" fortschreibt. Man kann da mit gutem Grund von einer künstlerischen Langzeitstudie sprechen. …  Das Stück verlangt den Tänzern viel ab, die Choreografie will aber dennoch nicht durch Virtuosität überwältigen. Im Zusammenspiel mit Jörg Ritzenhoffs beeindruckenden, raumfüllenden Sounds und Klangmontagen entsteht bei aller Kühle der ausgestellten Laboratmosphäre doch eine melancholische Grundstimmung. Und das macht diese visionäre Arbeit dann auch wieder zutiefst menschlich. (Bernhard Hartmann, General-Anzeiger Bonn, 15.03.2021)

 

„Body Shots“ lässt fünf Menschen sich wie fremdartige Körper in den Raum entwickeln, unter kaltem Licht die Grazie minimalster Bewegungen entfalten und eine Gratwanderung zwischen dem Horror der Leere und dem lebendigem Atem unternehmen.

Choreografin Rafaële Giovanola und Dramaturg Rainald Endraß variieren den Schwarzweiß-Kontrast ihrer Inszenierung als ambivalentes Spiel schattenloser Körper. Das Unheimliche der Szenerie bricht sich aus der Weiße von Raum und Körpern in kleinsten Regungen. Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Álvaro Esteban, Marin Lemic und Eleonora Vrdoljak zelebrieren einen fließenden Rhythmus. So maschinell und automatenhaft sie manchmal scheinen, finden die Tänzerinnen und Tänzer feine persönliche Nuancen. Da mögen Apokalypse und Utopie in dieser vordergründig klinischen Körperstudie brachial kollidieren: Noch im elendigsten Zucken der Muskeln und Sehnen offenbaren die Körper ihre Macht zu Ausdruck und ihre Hoffnung auf Kreatürliches.

Dunkel mag er sein, der Weltraum, aber der Leere des Raums widerstehen Kreaturen und Menschen mit Hiersein als Bewegung und als ortlose Hoffnung des Durchreisens. Verborgene Linien zeichnen die Körper in den verrinnenden Sand der Zeit. Schnappschüsse aus Muskelspiel, Geistesblitzen in den Maschinen, wachsend und vergehend im All. Wo und was immer das sein mag. (Christoph Pierschke, Besprechung des Livestreams vom 12.03.2021., Schnüss, 4/2021)

 

Faszinierende Body Shots (Headline) Erst einmal .. müsste man entscheiden, ob die Wesen, die da in nur 45 Minuten einen bizarren Sog entwickeln, heutige Menschen sind oder sozusagen futuristische, erweiterte Menschen oder gar Aliens? Ihr Blick, wiewohl sie bisweilen einander oder gar das Publikum fokussieren, ist seltsam starr, ihre Züge auch. Und das, was sie tun, nach einer ganz kurzen Sequenz im Stehen fast ausschließlich auf dem Boden, sitzend, liegend, krauchend, ist so minutiös zwischen natürlichem Bewegungsablauf und hochartifizieller, unentwegt angespannter Körpersprache angelegt, dass die gut 45 Minuten wie ein Vexierbild wirken zwischen Menschlichem und irgendwie Über- oder Neben-menschlichem. … Auf dem Boden, allein, in Paaren, sternförmig Bein an Bein, gehen immer wieder neue Impulse durch die fünf weiß-gekleideten Körper, deren Gliedmaßen gerade den richtigen Hauch von Eckigkeit haben, um immer vom Menschen weg und in Richtung Androiden zu denken und zurück. ... Schon in vorigen Werken wie "Vis Motrix" oder "Momentum", die in Darmstadt und Mainz zu Gast gewesen sind, hat der ganz und gar eigene Tanzstil von Cocoon fasziniert. Diesmal ist der Sog womöglich noch ein bisschen größer, die Bewunderung auch für die staunenswerte Technik der fünf, die in einem steten Flow sind und darin minimale, aber schier unendlich lange Balancen in der Seitenlage, auf nur wenigen Stützpunkten des Körpers oder mit allen Vieren in der Luft unterbringen, von denen man schon beim Zusehen Bauchmuskelkater bekommt. Im wechselnden Licht unter einem quadratischen weißen Bühnen-himmel, auf einem quadratischen weißen Tanzboden geht das so weit, dass die Körper vertikal statt horizontal ausgerichtet scheinen, als schwebten sie in der Schwerelosigkeit. Man bekommt eine Ahnung davon, was Giovanola und ihr Partner und Dramaturg Rainer Endraß meinen, wenn sie vom "ungedachten Körper" sprechen, der sich in ihrem Tanz vor den Augen des Publikums erfindet und, so fremd das wirken mag, zugleich sehr nahegeht. (Eva-Maria Magel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.2021 / FAZ.NET, 22.12.2021)

 

Faszinierender Grenzgang - „Body Shots“: Die Compagnie Cocoon Dance aus Bonn bringt großartiges Tanztheater in den Tempel. [Titel]  – „Body Shots“ – das heißt frei übersetzt „Körpertreffer“, es deutet auf einen tödlich verwundeten Menschen, dessen kollabierendes Nervensystem den Körper entgleisen lässt. Gleichzeitig versagt die Mimik als äußeres Abbild des menschlichen Inneren: Ausdruckslos, roboterhaft, maschinell bleiben während des gesamten Stücks die Gesichter. Bewundernswert die Disziplin der Mitwirkenden, die das durchhalten, den Kraftakt, auch in kleinen Bewegungsmomenten den Körper in nie nachlassender Spannung zu halten – das ist das eine. Das andere ist ein Gefühl des Unbehagens, das sich durch diese Menschenmasken einstellt. Der Schluss, der wie die Grablege eines Toten durch Tote wirkt, ist nur schwerauszuhalten. In diesem Moment überschreitet die Compagnie die Grenze zur Trostlosigkeit. Faszinierend ist das, verdammt gut getanzt ist das, ein Kunstwerk ist das. Von noch „ungedachten Körpern“ sprechen die Choreografin und ihr Dramaturg Rainer Endraß. Manches, was sich denken lässt, sollte nur gedacht werden, um nicht Wirklichkeit zu werden. Auch das lehrt dieses wunderbare Stück Tanztheater. (Jens Wehn, Badische Neueste Nachrichten, 14.11.2022)